Kinder entdecken die Welt – was geschieht im Grundschulalter und in der Vorpubertät? Kinder werden heute schneller reif als in früheren Generationen, was besonders durch die Allgegenwart sozialer Medien, die Veränderung der Gesellschaft und die Betreuungs-Situation von Kindern deutlich wird.
01 Kinder erziehen in der heutigen Zeit
Während früher Kinder-CDs im Wohnzimmer gehört wurden, bedienen Mädchen und Jungen heute Smartphones und finden sich in frühem Alter bereits auf Plattformen wie Instagram und WhatsApp zurecht. Die Arbeits-, und Wohn/Ort-Situation im familiären System ist sehr unterschiedlich.
Insgesamt stehen Eltern vor der Herausforderung, ihre Kinder durch die Phase der Vorpubertät, die bereits mit acht Jahren beginnen kann, zu begleiten. Diese Kinder befinden sich in einer Zwischenphase: Sie sind noch nicht Teenager und auch keine „Kleinen“ mehr.
02 Der Körper wächst – das Gehirn entwickelt sich
Beim Fötus entwickelt sich im Gehirn zunächst eine Unmenge von Neuronen, von denen ein Großteil noch vor der Geburt wieder abgebaut wird. So startet ein Neugeborenes mit 100 Milliarden Neuronen (gleiche Anzahl wie bei Erwachsenen), die aber noch klein und wenig vernetzt sind.
Im Alter von zwei Jahren haben Kleinkinder so viele Synapsen wie Erwachsene und mit drei Jahren sogar doppelt so viele. Diese Zahl bleibt dann etwa bis zum zehnten Lebensjahr konstant.
03 Motorische Fähigkeiten
Die motorischen Fähigkeiten werden, besonders im Bereich der Feinmotorik, immer besser. Tätigkeiten wie Malen, Kartoffeln schälen oder Schnürsenkel binden, trainieren die kleinen Muskeln an den Händen und können eine gute Vorbereitung für das Schreiben in der Schule sein.
Motorische Fähigkeiten sind Eigenschaften des menschlichen Körpers, die die Grundlage von Bewegungen bilden und zugleich die körperliche Leistungsfähigkeit beschreiben.
Diese fünf Grundfähigkeiten sind
Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination.
04 Zusammenhänge wollen verstanden werden
Das heranwachsende Kind kann sich in sein Gegenüber hineinversetzen, macht sich so seine eigenen Gedanken und stellt Fragen. Es möchte „verstehen“ und logisch argumentieren.
Ab dem siebten Lebensjahr gelingt es Kindern immer besser, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden. Sie treten vermehrt in einen Teil der Erwachsenenwelt ein und verlieren in einer gewissen Weise ihre „kindliche Unschuld“, indem sie auch lernen, Strategien einzusetzen.
05 Beurteilen und vergleichen
Ein Kind beginnt ab circa dem Schuleintritt zu beurteilen und zu vergleichen: Zum Beispiel
„Wie wohnen wir – wie wohnen andere?“
„Welches Auto fahren wir, im Gegensatz zu einer befreundeten Familie?“
„Wie schmeckt das Essen zu Hause und wie schmeckt das Essen in der Tagesbetreuung?“.
06 Kinder spüren körperlich, was sich „richtig und falsch anfühlt“.
Kinder nehmen Stimmungen und Emotionen und auch das gesprochene Wort wahr. Das kindliche System nimmt wie mit einer Stimmgabel alle „Anklänge“ und Vibrationen im Familiensystem auf.
Sie nehmen die Unzufriedenheit der Erwachsenen in der Partnerschaft und im Beruf wahr. Diese Erkenntnisse führen nicht selten zu Frustration und Widerstand, wodurch Kinder in dieser Phase sich verstärkt an Freunde wenden.
Es ist ein Erwachen in der physischen Realität, bei dem Kinder mit ihren eigenen Wünschen auf die von Erwachsenen geschaffene Welt treffen und erstmals bewusst erfahren, dass dort andere Regeln gelten als in ihrem kindlichen Universum.
07 Kinder werden sozialisiert und erfahren
Grenzen und Leistungsvergleich
Die Schulpflicht, der schulische Ablauf mit Regeln und sozialem Klassengefüge sowie die Wirkung von Autoritätspersonen, kann – aus welchen genauen Gründen auch immer – zur Unbehaglichkeit im kindlichen Gemüt beitragen.
Der Wechsel von Kindergarten zur Schule kann sehr herausfordernd und anstrengend sein. Punktuell kann dein Kind in einem Bereich des Lebens unter- /oder überfordert sein.
08 Gemeinsame Zeit und gemeinsamer Raum mit Kindern
Kinder können sich in einem vertrauen Umfeld gut selbst erfahren und auch ausprobieren. Mit Ruhe und Gelassenheit Zeit miteinander zu verbringen, ist für ein Kind ein paradiesischer Zustand.
Immer wieder Körperempfindungen aussprechen zu dürfen, hilft deinem Kind zu lernen, sich an seiner Selbst-Wahrnehmung zu orientieren und sich sicherer darin zu werden, was es braucht und was ihm gut tut.
Sich Vorkommnisse und Dinge genau von deinem Kind beschreiben zu lassen, ist ebenso unterstützend wie Entspannungsphasen – auch gemeinsam – zuzulassen. Sanfte Körperübungen ähnlich Yoga stärken Atemfluss und Koordination.
Auch Gehirnjogging, wie Rätseln oder „sich Reihenfolgen merken“ sowie verrückte Dinge, wie auf dem Kopf lesen, rückwärts schreiben oder sprechen, sind interessante Anreize, die die Konzentration stärken.
09 Typische Emotion: Wut
Ein typisches Gefühl in der Vorpubertät ist Wut. Wut ist ein natürliches Gefühl, das jeder Mensch kennt. Erwachsene haben oft gelernt, ihre Gefühle zu unterdrücken oder anders damit umzugehen.
Kinder hingegen haben oft einen direkten Zugang zu ihren Gefühlen und drücken diese ungefiltert aus. Wut ist ein Signal des Körpers, das auf Ungerechtigkeit hinweist und erstmal nützlich sein kann.
10 Der Umgang mit Wut – Akzeptanz
Nimm die Emotion komplett wahr, auch wenn du dazu neigst, dafür „keine Zeit zu haben“.
Akzeptiere was im Moment IST. Gebe Raum und Zeit, dass die Wut sich ausdrücken kann, ohne dass das Kind sich selbst oder andere verletzt.
Du kannst diese Handlung lernen achtsam einzuüben. Dies gibt deinem Kind Sicherheit. Es erhält die präsente Kraft von dir und die Sicherheit dadurch, dass es „gehalten“ ist, in dem was da gerade passiert.
11 Der Umgang mit Wut – Benennen
Lass dein Kind das Gefühl genau benennen: Wo im Körper fühlt es sich grade ganz schlimm an?
Bleib ruhig und bring deinem Kind näher, dass es diesen Zustand mehr und mehr in einem ruhigen Ton aussprechen kann.
Wenn der Druck im Körper zu groß ist, was würde nun helfen?
zum Beispiel für einen Moment intensiv auf ein Kissen zu schlagen oder eine Zeitung/ein Stück Pappe zu zerreißen.
12 Der Umgang mit Wut – Ursache und Bedürfnis
Finde gemeinsam mit deinem Kind heraus:
Was genau ist passiert?
Was hätte es in der Situation für dein Kind gebraucht, um „bei sich zu bleiben“ und die Kontrolle nicht zu verlieren?
Worin lag die Überforderung?
Gab es Bedürfnisse, die nicht erfüllt wurden?
13 Der Umgang mit Wut – Entscheiden
Wenn sich die Emotion abflaut, komme mit deinem Kind ins Gespräch und mache ihm deine Einschätzung und deinen Standpunkt klar.
Im weitesten Sinne kannst du
den Wunsch/die Bedürfnisse deines Kindes erfüllen,
einen Kompromiss eingehen,
oder den Wunsch deines Kindes ablehnen und diese Entscheidung begründen.
14 Der Umgang mit Wut – Auslöser finden
Wenn die Auslöser von Wut in Situationen im Außen entstanden sind – im Bereich Schule und Freunde – höre deinem Kind zu und spreche mit ihm darüber, was ein möglicher nächster Schritt sein könnte.
Braucht dein Kind deine Unterstützung nach Außen hin durch deine klärenden Worten und Handlungen?
Wenn die Auslöser von Wut im innerfamiliären Bereich liegen, gehe nach dem Gespräch mit deinem Kind in dich und bespreche dies gegebenenfalls mit deinem/r Partner/Partnerin.
Manchmal gibt es „versteckte Hintergründe“ in deinem Kind, wie zum Beispiel das Gefühl, gegenüber Geschwistern nicht gleichwertig behandelt zu werden – in beide Richtungen:
Ist dein Kind – gegebenenfalls in der Geschwisterreihe – durch Situationen überfordert?
Wird dein Kind im Verhältnis zu anderen zu wenig wahrgenommen?
Ist dein Kind möglicherweise unterfordert?
15 Der Umgang mit Wut – Selbstreflexion
Die König:Innen-Disziplin im Umgang mit der Wut deines Kindes ist, dich selbst in einer ruhigen Minute zu reflektieren:
War ich als Kind selbst sehr wütend?
Kenne ich Kontrollverlust bei mir selbst?
Wenn ja, was waren/sind Auslöser in meinem Leben, die dazu geführt haben/oder noch dazu führen?
Gibt es aktuell eine Druck/Stress-Situation in meinem Leben, die ich mir nicht ausreichend eingestehe?
Trage ich unverarbeitete Trauer in mir?
16 Introvertierte oder schüchterne Kinder
Aus unterschiedlichen Gründen können Bezugspersonen /Mütter/Väter sich selbst nicht gut spüren. Ihnen fehlt dann auch der Zugang zu dem, was ihr Kind gerade braucht.
Dadurch entwickeln sich bei Kindern unterschiedliche Bindungs“strick“muster: Kinder müssen, um sich in einem Familiensystem zu überleben, anpassen…
auf Unruhe, auf Unstetigkeit, auf Unangemessenheit, auf Abweisung, auf Verstrickung, auf Misshandlung.
Kinder mit einem unsicher-vermeidenden Bindungsverhalten zum Beispiel werden oft als „pflegeleicht“ wahrgenommen. Sie sind häufig unauffällig und scheinen sehr angepasst. Sie zeigen nur wenig Gefühle und unterdrücken den hohen emotionalen Stress. Dadurch leiden sie still in sich hinein.
Frage dich selbst:
Wie sehr habe ich mich selbst gefühlt als Kind?
Kann ich Interesse an den Gedanken und der Themen meines Kindes aufbringen?
Kann ich emphatisch mitfühlen, was mein Kind bewegt?
Bin ich offen dafür, dass mein Kind sich ausprobieren darf?
In welcher Art und Weise teile ich meinem Kind mit, dass ich es liebe?
17 Typische Veränderungen im Grundschulalter –
Selbstständigkeit erlernen
Im Grundschulalter bieten sich dem Kind bereits viele Möglichkeiten, Selbstständigkeit zu erlernen und Verantwortung zu übernehmen. Wichtig ist, deinem Kind Kontur zu geben – heißt – deine Grenzen für dich zu ziehen, diese deinem Kind mitzuteilen und dabei klar, verbindlich, zuverlässig und gegebenenfalls einnehmend zu sein.
18 Typische Veränderungen im Grundschulalter –
den Schulweg alleine gehen
Ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstständigkeit kann es sein, dein Kind allein zur Schule gehen zu lassen. Eltern sollten Kindern im Grundschulalter zutrauen, bestimmte Wege allein zu bewältigen.
In Großstädten sind Kinder oft auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, was Eltern möglicherweise zögern lässt, ihr Kind frühzeitig allein zur Schule zu lassen. Ist der Schulweg jedoch zu Fuß zu bewältigen, spricht grundsätzlich nichts dagegen, das Kind alleine loszuschicken.
Ob dein Kind letztlich allein zur Schule geht, hängt von individuellen Faktoren ab, wie etwa vom Schulweg und deinem Kind selbst.
19 Typische Veränderungen im Grundschulalter –
Taschengeld
Spätestens mit dem Schuleintritt sollten Kinder Taschengeld bekommen. Sie begreifen bereits, dass es unterschiedliche Scheine gibt und wissen, dass Dinge unterschiedlich viel kosten. Die Höhe des Geldes und dessen Auszahlung können Eltern selbst mit dem Kind festlegen. Im Grundschulalter gelten ca. 3 Euro in der Woche als völlig ausreichend.
Manche Eltern werden mit den Investitionen des eigenen Kindes möglicherweise unzufrieden sein, etwa wenn das Geld für Süßigkeiten oder Bildkärtchen ausgegeben wird.
Natürlich kannst du dein Kind darauf hinweisen, dass Süßigkeiten ungesund sind und manche Dinge nach einigen Tagen unbeachtet in der Ecke liegen.
Für Kinder ist der Umgang mit Taschengeld jedoch sehr lehrreich, da sie dadurch erkennen, was ihnen wichtig und weniger wichtig ist. So erkennen sie auch, dass es sich für manche Sachen lohnt, sein Taschengeld zunächst zu vermehren.
Es lohnt sich auch zu Hause über Geld zu reden, damit Kinder verstehen, dass es bei Geld letztendlich um „Wert“ und Grund/Bedürfnis-Erfüllung geht.
20 Typische Veränderungen im Grundschulalter –
Alleine zuhause sein
Auch das Alleinsein zuhause kann geübt werden. Die Zeitspanne sollte jedoch mit dem Kind abgestimmt sein. Es sollte eine Person des absoluten Vertrauens immer jederzeit erreichbar sein, falls das Kind Hilfe braucht.
21 Typische Veränderungen im Grundschulalter –
Fördern – wenn ja, wieviel?
Wann ist der perfekte Zeitpunkt für das Erlernen eines Musikinstruments, für Sport im Verein oder die Reitbeteiligung, für ein kreatives Werkeln in der Jugendkunstschule?
Die kognitive und feinmotorische Entwicklung, Gedächtnistraining und das soziale Gefüge in Gruppen wird zweifelsohne erprobt und erweitert die „Landkarte“ der Denk- und Handlungsfähigkeit.
Wichtige Fähigkeiten wie Geduld, Konzentration und Disziplin können gefördert werden und dazu beitragen, Stress abzubauen und Selbstvertrauen zu steigern. Dies kann sich unmittelbar positiv auf den Lernerfolg deines Kindes in der Schule auswirken.
22 Kinder brauchen Freiräume
Ein „Zuviel“ an Angebot, lässt dein Kind nicht zur Ruhe kommen. Gerade im freien, nicht „geTIMEten“ Angebot, ist Raum gegeben für die Entwicklung von innerer Ruhe in einem „Selbst-Verständlichen-Dasein“ – ohne Leistungsprinzip.
Zudem brauchen Kinder Freiräume, um sich mit sich selbst zu beschäftigen und ihre Wünsche und Bedürfnisse kennenzulernen.
23 Deinem Kind etwas zutrauen
Auch kann dein Kind mehr und mehr erfahren, dass Lösungen zur Bewältigung des Lebens auch aus ihm selbst zu kommen scheinen.
Jedes kindliche System ist individuell – hat seine Stärken und weniger starke Anlagen.
Stärken auszubauen und weniger starke Anlagen durch kleine Angebote zu fördern, hilft deinem Kind, sich im Leben gut zurecht zu finden.
24 Verständnis und Selbstwert stärken
Kinder, die häufig gehänselt und bestraft werden, die kritisiert und mit anderen verglichen werden und denen das Gefühl vermittelt wird, dass sie nur akzeptiert werden, wenn sie alles richtig machen, entwickeln automatisch ein geringeres Selbstwertgefühl.
Zuletzt ist es wichtig, den Kindern in der Vorpubertät Verständnis entgegenzubringen. Eltern sollten lernen zuzuhören, anstatt vorschnell reinzureden und die Sorgen und Ängste ihrer Kinder ernst nehmen.
Wenn dein Kind sich abkapselt, ist es ratsam, das Gespräch zu suchen und ihm zu signalisieren, dass immer ein offenes Ohr vorhanden ist.
25 Dysfunktionale Familienmuster & weitere Themen
Zu den Themen Entwicklung deines Kindes, Scheidungsfolgen, Dynamiken in den Generationen und dysfunktionalen Familienmustern schaue ich gerne mit dir auf mögliche Verursachungen, Hintergründe und nächste Schritte.
Zur Klärung deiner familiären Situation empfehle ich dir eine Einzelsitzung oder Biografie-Arbeit in Präsenz oder Online.
Zur Vertiefung der Thematik empfehle ich dir die Teilnahme an meinen Seminaren.
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